Wenn
man ein Land wie Indonesien ein zweites Mal bereist, sind es zwei
widersprüchliche Gefühle, die einen gefangen nehmen. Da ist die Exotik mit all ihren Sinneseindrücken aus Bildern,
Gerüchen und Klängen. Sie hat ihren Reiz keineswegs verloren. Allerdings ist sie gepaart mit so etwas wie Erleichterung. Es hat schon seine Vorteile, manches bereits
einordnen zu können. Gut ist es, nicht ganz so fremd zu sein in diesem
unglaublichen Land, dem es immer wieder ein Leichtes ist, einen in seiner
Unfassbarkeit aus der Fassung zu bringen.
Das Wetter heute ist herrlich, sonnig und heiß – gerade richtig, um sich den Seewind um die Ohren blasen zu lassen. Wie schön! Wir fahren auf einem ruhigen Meer zwischen unzähligen Inseln hindurch, hinüber nach Rinca, der ersten „Dracheninsel“, die, so wie Komodo, die Heimat der einzigartigen Warane ist. Diese sind wesentlich gefährlicher als die Krokodile, von denen es hier auch einige gibt, denn ihr Biss ist tödlich, wenn nicht innerhalb weniger Stunden ein Antibiotikum zur Verfügung steht. Der Speichel der Echsen enthält ein durch Drüsen im Unterkiefer abgesonderte Gift, und ist zudem noch mit hoch aggressiven Bakterien verseucht, die selbst einen Bullen nach spätestens einer Woche elend zu Grunde gehen lassen. Zu dem wirklich abstoßenden Eindruck, den die Tiere machen, gehört auch, dass sie Kannibalen sind, und sich selbst die Jungtiere vor den Eltern in Sicherheit bringen müssen.
Ehe
wir uns auf einem streng vorgeschriebenen Trekkingpfad auf die Suche nach den
Tieren machen können, müssen wir uns im Ranger-Camp einer umständlichen
Anmeldeprozedur unterziehen und umgerechnet 40 € Eintrittsgebühr bezahlen. Dann
geht es in Begleitung eines, mit einem Stecken bewaffneten, Führers los.
Auf unserer viertätigen Fahrt auf der Insel Flores wird uns Chelly als Tourguide begleiten und Bona unser Fahrer sein. Die beiden hinterlassen in ihrer ruhigen und zuvorkommenden Art einen hervorragenden ersten Eindruck. Von Beginn an erzählt Chelly unaufgefordert von seiner Heimat Flores, und wir hören erfreut zu. Auf alle Fragen bekommen wir kompetente Antworten in sehr gutem Englisch.
Chelly
verspricht, uns heute unterwegs eine Schule zu zeigen. Damit wir nicht nur als
schaulustige Touristen kommen, besorgen wir in einem Laden Hefte und
Kugelschreiber – die werden hier gut gebraucht, denn der Schulbesuch ist auf
Flores keineswegs gratis, viel mehr noch – ziemlich teuer. Jetzt aber drängen
wir zur Eile, denn wir wollen die Spinnennetz-Reisfelder von Cancar bei Sonnenschein erleben. Dazu steigen wir den Hügel hinter dem Dorf Cara hoch, um von diesem
erhöhten Platz aus die kreisförmigen Gebilde in der grünen Ebene zu
überblicken. Wir sind begeistert von der Ästhetik des Anblicks und von dem
Geschenk, das uns die Sonne gewährt. Diese hat nämlich noch etwas zugewartet,
ehe sie sich anschickt, wieder hinter den Regenwolken zu verschwinden. Dunkle
und leuchtend grüne Flecken wandern über die konzentrischen Linien der Felder
und lassen das Bild so lebendig erscheinen, wie das Zittern des Lichts in den
Tautropfen eines echten Spinnennetzes.
Gleich unterhalb des Hügels befindet sich die Dorfschule von Cara. Hier werden wir schon erwartet. Die Kinder haben gerade Pause und stürmen uns johlend auf dem großen Freiplatz entgegen. Der Lehrer einer ausgewählten Klasse fordert mich auf, eine Unterrichtsstunde zu halten, wozu ich mich angesichts der süßen Gesichter gerne bereit erkläre. Die Kinder wiederholen alles, was sie von mir hören, lauthals schreiend im Chor. Zum Beispiel: Ich sage: „My name is Birgit.“ Sie schreien wie auf Kommando „Birgit!“ „His name is Franz.“ Wie im Echo (nur viel lauter) kommt „Franz!“ zurück. So geht das mit wachsender Begeisterung weiter. Ich erzähle vom Schifahren, von Kälte und Schnee, Schlössern und Burgen. Weiter komme ich nicht, denn nach wenigen Minuten lässt die Disziplin merklich nach. Ich weiß, in solchen Situationen hilft ein Lied: „Bruder Jakob“ - zuerst von mir in Deutsch gesungen, dann von den Kindern in Indonesisch. Jetzt sind alle außer Rand und Band. Das Verteilen der Hefte gelingt nur, weil ich darauf bestehe, dass alle sitzen bleiben. Dann geht es aber gut, und beim Gruppenfoto, draußen im Pausenhof werden wir immer mehr, denn auch die anderen Schulklassen wollen mit aufs Bild.
Einer der Hauptgründe für die Entscheidung, unsere Flores-Expedition so weit in den Osten auszudehnen, sind die Kraterseen des Vulkans Kelimutu. Auf unserer Fahrt dorthin kommen wir am Bluestone Beach vorbei.
Am
Tag unserer Vulkantour geht es um Vier Uhr früh los. Natürlich ist es
stockdunkel, und wir bekommen von der halbstündigen Fahrt nur das bizarre
Dickicht des Waldes mit, das schemenhaft wie Gespenster an unseren Fenstern
vorbei schwebt. Kurz vor dem Ausgangspunkt unserer Wanderung, bei der wir
lediglich 200 Höhenmeter zu überwinden haben, entrichten wir die Gebühren für
den Eintritt in den Nationalpark (150000 Rupia – 12€ pro Person). Ein bequemer
Stufenweg führt vorerst in einem immer lichter werdenden Wald, durch dessen
Blätterdach bald der schon fast runde Mond schimmert und, zu unserer Freude,
ein für die Tropen ungewöhnlich klarer Sternenhimmel. Der Schwefelatem verrät,
dass wir uns auf der linken Seite bereits einem der Krater angenähert haben.
Natürlich sind wir hier nicht allein und bewegen uns in einer lockeren
Lichterschlange, die alle Sprachen der Welt spricht, hinauf zum Gipfel in 1640
Metern Seehöhe. Hier genießen wir in aller Ruhe das Farbenspiel, welches dem
Erscheinen der Sonne vorausgeht.
Immer wieder steigt dichter Nebel vom Tal auf und macht unser Warten bis zum letzten Augenblick spannend. Werden sich die Augen des Vulkans zeigen, oder wird sein Blick sich zuletzt doch noch verschleiern. „Welche Farben werden die drei Kraterseen heute haben?“ fragen sich hier alle, denn niemand kann das voraussagen. Es kommt vor, dass das Erscheinungsbild der Seen sich innerhalb kurzer Zeit dramatisch verändert. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass das Wasser in tiefere Gesteinsschichten vordringt und dabei unterschiedliche Mineralien löst, andererseits sich die wechselnde Zusammensetzung der Gase im Wasser abbildet. Ich habe recht, wenn ich vermute, dass die Einheimischen für dieses Naturschauspiel einen Mythos bereit haben. Chelly erzählt von dem Volksglauben, der in den Kraterseen die Ruhestätten der Geister sieht. Die Seelen der zu früh verstorbenen Kinder wohnen im „Tiwu Nuwa Muri Koo Fai“, die Seelen der Alten hingegen im „Tiwa Ata Mbupu“. Im „Tiwu Ata Polo“ aber warten die Seelen der Sünder bis zur Nacht, um mit dem Wind emporzufliegen und jeden Lebenden zu vernichten. Gut also, dass sich um uns bereits das Tageslicht breit macht und die fantastische Szenerie vorerst als Schwarz-Weiß-Zeichnung vor uns ausbreitet. Die Farbpallette präsentiert der Vulkan gemeinsam mit der zögerlichen Sonne nach und nach, so als wolle er die Spannung auf die Spitze treiben. Bald steht fest, dass der Krater der alten Seelen heute im Nebel badet. Die Tatsache aber, dass im geheimnisvollen Wabern die Vögel ein ganz unglaubliches Morgenkonzert geben, macht den unsichtbaren Kratersee zu jenem von den dreien, den ich am meisten ins Herz schließe. Die anderen beiden zeigen sich heute im Gleichklang aus Türkisgrün, was vorerst ein bisschen enttäuschend ist, weil fotografisch nicht so attraktiv wie das Nebeneinander von Rot und Grün oder Schwarz und Blau oder milchig Weiß und Braun – all diese Farbschattierungen hat der Vulkan in seinem Programm!
Zum Pflichtprogramm einer Flores-Tour gehört der Besuch eines der traditionellen Dörfer in den Bergen. Wir fahren heute zum Ngada-Dorf „Bena“. In den zwei, einander gegenüberliegenden Reihen von Wohnhäusern mit Bambusvordächern leben neun Clans. Fragt man die Einwohner, wie viele Menschen hier wohnen, so sagen sie: „dreihundert", zählen dabei aber die verstorbenen Ahnen mit. Und wirklich scheint es so, als müssten diese anwesend sein, denn in der Mitte des Dorfes stehen zahlreiche Hüttchen, nach oben hin spitz zulaufende für die männlichen Vorfahren, runde, breite für die weiblichen. Jede Familie verfügt über zwei Häuser: eines mit weiblichen und eines mit männlichen Symbolen auf dem Dachfirst.
Der Dorfmittelpunkt ist auch Schauplatz für die regelmäßig stattfindenden Blutopfer, von denen die zahlreichen Büffelschädel Zeugnis geben. Wie auf einem Totempfahl, übereinander aufgereiht, „schmücken“ sie die schattigen Holzbalkone der Häuser, auf denen Frauen den Besuchern ihre Ikat-Webereien präsentieren.
Interessant ist auch, dass die Dorfgemeinschaft auf dem Matriarchat beruht, was im Übrigen im Osten von Flores die vorherrschende Form des Zusammenlebens ist. Dies bedeutet unter anderem, dass nach der Hochzeit der Mann zur Familie der Frau zieht und diese die Entscheidungsgewalt in der Ehe hat.
Da unser Aufenthalt auf Flores nun langsam dem Ende zugeht, können wir ein Resümee ziehen. Gründliche Recherche und das nötige Quäntchen Glück haben uns eine wirklich schöne Zeit beschert. Unsere durchorganisierte Tour von Discovery Komodo Adventure war zwar nicht ganz billig, dafür aber immer auf unsere Wünsche abgestimmt und von sehr professionellen und liebenswerten Guides begleitet. http://discoverykomodoadventure.com/