Mittwoch, 24. September 2014

Bali

In den Korallengärten Nordbalis

Welch ein Kontrast zu den letzten Tagen! Während wir  gestern, drüben auf Java, im Angesicht der feurigen Urgewalten, das lebendige Antlitz unserer Erde bestaunt haben, liegen wir heute geruhsam im Schatten eines Baumes, vor uns das Halbrund des schmalen, dunklen Sandstrandes von Pemuteran. Endlich haben wir das Meer erreicht, das uns nach den anstrengenden Tagen Ruhe und Erholung bringen soll.
Lustig rollen die weißen Wellenkämme dem glänzenden Sand zu, verfolgen einander in spielerischem Übermut und werfen sich zuletzt an den Strand, so, als gälte es, als Erster über die Ziellinie zu kommen. In der Tiefe setzt sich das muntere Treiben fort. Hier ist es die bunte Korallenwelt, die, wie ein angelegter Garten dem Sonnenlicht zuwächst. Kleine, blühende Schönheiten, wie Blumenbeete in rot und gelb gehen in das sperrige Geäst von Korallenbäumen über. Dort schwingen Anemonen, und inmitten dieses Parks tummeln sich lustige Kerlchen, ziehen Formationen von Uniformierten ihre Kreise, ducken sich scheue Einzelgänger und prahlen dick aufgeblasene Wichtigtuer. Hellblaue Seesterne spreizen die Beinchen, und die ganz großen Diven, in ihrem prachtvollen Festtagskleid, blicken überheblich aus den Fenstern ihrer Wohnhöhle heraus,  nicht bereit auszugehen und sich in ihrer ganzen Schönheit zu zeigen.



 











Hier, im Norden Balis, steckt der Tourismus noch in den Kinderschuhen, und es ist der Natur zu wünschen, dass dies auch noch länger so bleibt. Der Grund für unseren Aufenthalt hier ist die Insel Pulan Menjangan, die eines der schönsten Tauch- und Schnorchelreviere Indonesiens sein soll. Bereits in Pemuteran finden wir ein äußerst interessantes Riff, das völlig unversehrt ist. Die Einheimischen haben außerdem vor 15 Jahren Metallgestänge am Meeresgrund angebracht, um den Korallen Verankerungen für ihr Wachstum zu bieten. Die unterschiedlich geformten Gerüste sind nun bereits von einer so bunten Schar bevölkert, dass es eine Freude ist.  Wir sind von diesem Projekt sehr begeistern, denn hier scheint eine Verbindung von Naturschutz und Tourismus zu gelingen.

 











Nach einer halbstündigen Bootsfahrt erreicht man die Insel Pulau Menjangan, die Teil des einzigen Nationalparks von Bali ist. Über fünfhundert Fischarten tummeln sich hier in einem völlig intakten Saumriff und zeigen sich uns heute bei einer Sichtweite von 40 Metern klar und strahlend. Da es hier kaum Strömungen gibt, liegen wir faul wie ein Frosch, der alle Viere von sich streckt, im Wasser und lassen uns von einem Fischschwarm zum nächsten treiben.


Dienstag, 23. September 2014

In der Schwefelhölle des Ijen

Um halb eins in der Früh wecken wir unseren Fahrer, der im Auto einige wertvolle Stunden geschlafen hat. Ohne Murren bringt er uns nach Paltuding, wo schon jetzt, mitten in der Nacht der Teufel los ist. Unser Guide Surosso ist einer der Arbeiter, die hier unter schrecklichen Arbeitsbedingungen dem Vulkan das „gelbe Gold“ entreißen. Als Fremdenführer  verdient er an einer Tour mehr, als er für einen Tag Schwefelschürfen bekommt. Entsprechend gut aufgelegt ist er und will uns wirklich alles recht machen. Sofort wird mein Rucksack geschultert (für ihn muss er sich ja federleicht anfühlen, wenn man bedenkt, dass die befüllten Schwefelkörbe ca. 70 Kilo wiegen) und dann führt er die „Mama“ (das bin ich) an der Hand wie ein kleines Kind. Es könnte ja rutschig sein, oder vor mir könnte sich ein Abgrund auftun.


Als wir den Kraterrand in etwa 2300 Metern Seehöhe erreichen, erblicken wir erstmals ein geisterhaft blaues Leuchten weit unten in der Tiefe, das den Ort anzeigt, an dem der Schwefel glühend aus dem Krater fließt. Jetzt wird das Szenario absolut höllisch. Auf dem steilen Steig hinunter in den Krater kommen uns die ersten, schwer beladenen Arbeiter entgegen. Da der Weg nicht ganz ungefährlich ist, und die Männer genug damit zu tun haben, nicht zu straucheln, drücken wir uns jedes Mal in eine Nische, um sie nicht allzu sehr zu behindern. Wenn die Arbeiter auf dem Weg nach oben sind, ist immerhin der schwerste Teil ihrer Arbeit schon getan, denn dann haben sie die eben erst erstarrten, hellgelben Klumpen bereits der Schwefelquelle entnommen und das im wildesten Qualm aus Schwefeloxid. Dass diese Männer bei ihrer Arbeit in den meisten Fällen nicht älter als 40 Jahre alt werden, kann man sich gut vorstellen.


Als es draußen endlich hell wird, zeigt sich statt des blauen Leuchtens die quellende Wunde, aus der der Vulkan Gift und Galle speit. Ein kleines Stück weiter unten liegt der milchig grüne Kratersee, der sich im wilden Tanz der Schwefeldämpfe immer nur für kurze Augenblicke zeigt.



Nach unserem Ijenabenteuer sehen wir aus wie Aliens und riechen wie der Hölle entstiegene Monster. Noch nie haben wir eine Dusche so dringend notwendig gehabt!




Der Fischmarkt in Probolinggo

Markthalle

Auf dem Fischerboot

Na, wenn das kein Fang ist

Der Bromo - Wo sich Himmel und Hölle verbinden



Auch heute heißt es wieder früh aufstehen. Um halb drei brechen wir auf und wandern entlang der Abbruchkante hinüber zum Aussichtspunkt „Penanjakan“, der uns heute das Kalendermotiv vom Bromo und seinen rauchenden Brüdern bieten soll. Wir sind die ersten, die sich auf den Weg gemacht haben. Nur bellende Hunde, gackernde Hühner und ab und zu das Wiehern eines Pferdes, das schon bereitgemacht wird, die Touristen durch das Sandmeer zu tragen. Als der goldene Rand des ersten Tageslichts am Horizont erscheint, tauchen die gefurchten Kegel der Vulkane aus dem Dunkel auf. Die dünne Fahne des Semeru (3676m) ist die erste, die im Licht der Sonne errötet, schon lange bevor uns die Sonnenstrahlen erreichen. Im Vordergrund schmaucht der graue Aschekegel des Bromo vor sich hin und nimmt ein morgendliches Bad im Meer aus weißen Nebelschleiern. Als diese sich nach und nach heben, geben sie den Blick auf das Asche-Sandmeer frei, das dem Bromo seit seinem letzten Ausbruch zu Füßen liegt.



Der Krater öffnet sich vor unseren Augen wie ein alles verschlingender Trichter. Weiß wallt uns der schwefelige Wasserdampf entgegen, der sich der Gravitation der Tiefe entzieht und dabei dröhnt und faucht wie ein überdimensionaler Druckkochtopf.
Die Besucher werfen Blumen und Essensgaben in den Krater, in der Absicht, die Feuergottheit friedlich zu stimmen. Aber auch Geldscheine flattern im aufsteigenden Schwefelwind. In den fast senkrechten Wänden vollführen einige Männer halsbrecherische Kletteraktionen, um an die Opfergaben zu gelangen. Ein entwürdigendes Schauspiel! Ich bringe es nicht übers Herz, mein Blumensträußchen hinabzuwerfen, aus lauter Angst, einer der armen Bettelgestalten könnte beim Versuch, es zu erwischen, in den Abgrund stürzen. So lege ich es auf ein kleines Podest, in der Hoffnung, einer von ihnen werde es sich schon holen, um es dann wieder einem Besucher zu verkaufen. Es stellt sich allerdings heraus, dass dies einfach gar nicht geht. Ein zerlumptes Männchen klettert zu mir heraus und fordert mich auf, doch endlich meine Blumen in den Höllenschlund zu werfen. Wir sind und bleiben hier ganz einfach nur Fremde – Fremde, die vieles nicht erfassen können und vieles nicht verstehen. Ein Mensch, in der denkbar elendsten Lebenssituation, fordert mich auf, die Götter zu ehren und um ihren Beistand zu bitten. Der Bromokrater – ein Ort, an dem sich auf zweifache Art Himmel und Hölle verbinden:  im Krater, der seinen Schwefelatem hinauf in den Himmel schickt, und dann, im Blick des Mannes, der meine Blumen erst annehmen kann, wenn sie den Göttern geopfert sind.

Dienstag, 16. September 2014

Unsere ersten Feuerberge

Gunung Merapi / Dieng Plateau


Um eins in der Früh startet unsere Sunrise-Tour hinauf auf den gefährlichsten Vulkan Javas, den Gunung Merapi. Zuerst geht es steil durch Kasuarinenwälder hoch, hinter denen ein unglaublich klarer Sternenhimmel blinzelt. Wirklich heftig wird es erst, als wir die letzte Vegetation hinter uns lassen und in den Auswurfsbereich des Vulkans kommen. Unsere Schuhe füllen sich mit einer zentimeterdicken Einlage aus Pimskügelchen. Es macht keinen Sinn, sie auszuleeren, da sie im nächsten Augenblick sowieso gleich wieder voll sind. Unser Guide Achmed ist ein wahrer Schutzengel, in dessen Fußstapfen schreitend, wir den besten Weg in diesem unwegsamen Gelände finden. Auch wenn er kaum Englisch spricht, klappt die Verständigung  bestens. Kurz bevor wir das Aschemeer erreichen, rasten wir zu dritt in einer windgeschützten Höhle, wir haben bereits unsere Winterjacken, Hauben und Handschuhe angezogen. Andächtig bewundern wir den Südhimmel über uns, mit dem „Lindangluku“– dem hell leuchtenden Orion, und die schwarzen Konturen des Gunung Merbabu vor dem Lichtermeer des dicht besiedelten Tieflandes.
Im letzten Abschnitt bis zu dem Kraterrand in fast 3000 Metern Höhe lässt uns der Vulkan leiden. Asche nicht nur in den Schuhen, auch in unseren Lungen und Augen. Längst haben wir uns wie Astronauten vermummt und quälen uns im Gipfelsturm die Lavafelsen hoch. Der Horizont ist zu einer rotglühenden Linie geworden und um uns erheben sich, wie Geister aus einer anderen Welt, die schwarzen Kegel der Nachbarvulkane. Links und rechts faucht es aus kleinen Öffnungen, und der Feuergott haucht uns seinen übelriechenden Schwefelatem entgegen.
Dann sind wir oben! Ergriffenheit und Erschöpfung überkommen uns. Es gibt wohl nur wenige Augenblicke im Leben, in denen einem bewusst wird, das dies einer der ganz großen Momente ist. Wir hocken auf den senkrechten Wänden des 2010 eingestürzten Lavadoms und blicken in den rauchenden Höllenschlund hinunter. Vor uns erhebt sich majestätisch die über alles herrschende Feuergöttin Sonne. Senkrecht steigt sie empor und schickt fast augenblicklich das gleißende Licht des Tages auf die wüste Landschaft, die dem Vulkan zu Füßen liegt, so als wäre es ihr einziger Zweck, seiner Hoheit Ehrfurcht zu zollen. Dahinter, das Grünen der Ebene, ihre Kinder lockend in die Nähe des Vulkans, jetzt, da sein Zorn verflogen ist und er gemütlich vor sich hin qualmt, wie ein Großvater, der in der guten Stube seine Pfeife raucht.




Unweit des Merapi liegt das Dieng-Plateau (Di Hyang - "Zuflucht der Götter"), das der Krater eines längst erloschenen Vulkans ist. Es ist der passende Ort für die Verehrung Shivas, des kosmischen Zerstörers. Die Oberfläche des Farbensees leuchtet aufgrund der Schwefelverbindungen im Wasser, je nach Lichteinfall, in den unterschiedlichsten Blautönen. Heute ist der See ein Juwel in Türkis.




Java

Menschenbilder 






  
It is good to have a destination to journey towards
but it is the journey which matters in the end.
Ursula le Guin